Justizminister Franz Nádasdy legt der Ministerkonferenz sein
schriftliches Votum in der Frage der Gerichtssprache vor. Sein
Ausgangspunkt ist die Auffassung, dass die Ministerkonferenz ein einheitliches
Kaisertum anstrebe und nicht nur ein lose zusammengehaltenes Reich, das
von separatistischen Strömungen gefährdet wird. Daher ist er der
Ansicht, dass es nötig ist, für die gesamte Monarchie ein einheitliches
Rechtssystem zu schaffen. Nimmt man diese Forderung ernst, so ist die
Einführung einer einheitlichen Gerichtssprache aus seiner Sicht eine
logische Folge. Die Regierung soll daher mit Festigkeit und Ausdauer an
diesem Ziel festhalten und dennoch nicht mit Zwang und überstürzt
handeln. Er glaubt nämlich, dass erst die folgenden Generationen diese
Maßnahmen anerkennen werden und die eigene Nation als auch das
Bewusstsein einer gemeinsamen Zugehörigkeit zum Österreichischen
Gesamtstaat verinnerlicht haben werden. Eine einheitliche Rechtssprache
ist aus seiner Sicht jedoch ein unabdingbarer Schritt auf diesem Weg.
Was allzu große Nachgiebigkeit brachte, zeigt seiner Ansicht nach das
Beispiel Italiens. In der Folge schlägt er einige Grundsätze vor, die
bei der Einführung einer einheitlichen Gerichtssprache beachtet werden
sollten. Ein zentraler Grundsatz dabei ist, dass jeder Bürger, der sich
nicht eines Anwalts bedient, sein Anliegen in der in dem
Gerichtssprengel üblichen Sprache vorbringen kann. Anwälte sollen sich
in der ganzen Monarchie nur der deutschen Sprache bedienen dürfen.
Gleichzeitig ist er sich bewusst, dass man bei älteren Advokaten – jene,
die zu alt sind, um Deutsch zu lernen – eine Ausnahme von der Regel wird
machen müssen. Er betont daher nochmals, dass man wohl erst in 50 Jahren
das Ziel erreicht haben wird. In der Folge geht er dann besonders auf
Ungarn ein. Er betont, dass er den Vorwurf, man übe dort einen
Sprachenzwang aus, nicht gelten lasse, zumal die Ungarn derzeit selbst
den Nichtungarn ihre Sprache aufzwingen. Nádasdy sagt schließlich, dass
er sich bewusst ist, dass der Minister des Inneren seine Auffassung
nicht teilt. Er schlägt daher vor, dass der Kaiser die Sache entscheiden
möge.
Das Dokument ist im Nachlass gemeinsam mit sechs weiteren Dokumenten mit
der Rubrik "Hungarica" unter der Signatur A3 XXI D625 abgelegt.
Ungarn
Dieser Text wurde nicht transkribiert.