Man fühlt die Nothwendigkeit, der außer dem bureaukratischen Kreise stehenden
Bevölkerung eine gewisse Theilnahme an ihren Angelegenheiten einzuräumen. Man
hat nur diesen Intressenten das Berathen, dem Beamtenthume das Entscheiden und
Handeln zugewiesen. Dieser Theilungsgrund scheint nicht durchwegs der
angemessene. Zu keiner Zeit so wie in der unsrigen, in keinem Reiche so wie in
Oesterreich, hat die Erfahrung so handgreiflich demonstrirt, daß es einen
obersten entscheidenden Willen geben müsse. Durch lange Zeit hinaus wird diese
oberste Authorität keine ernstliche Anfechtung erleben, wenn sie von sich selbst
einen gerechten und einen sparsamen Gebrauch, wenn sie sich nicht vulgär macht.
Es gibt weiter nicht nur große Fragen des allgemeinen Staatsintresses, sondern
auch Fragen, die in das Privatinteresse eingreifen, bei welchen jede auch eine
nur berathende Intervention ständischer oder quasi ständischer Körperschaften
vom Übel ist. Wenn ein Strafgesetzbuch, eine Wechselgerichtsordnung – ja in den
meisten Kapiteln ein bürgerliches Gesetzbuch – eine Zollordnung etc. zu Stande
kommen oder reformirt werden sollen, so wäre eine solche Berathung im besten
Falle unnütz. Es gibt aber andere Fragen und Intressen und sie bilden die
Mehrzahl, welche der obersten Authorität und ihren nächsten Räthen so ferne
stehen, daß es lediglich eine Fiktion und Täuschung ist, wenn man deren
Entscheidung und Besorgung durch ein künstliches Gewebe von Mittelgliedern mit
jener obersten Authorität in Verbindung setzen will. Diese fallen bei der
bezeichneten Theilung in der That ganz und gar in die Hände jenes unübersehbaren
Beamtenthumes. So wie es nun einerseits wider das Gesetz der Sparsamkeit läuft,
ja eigentlich eine Profanation der obersten Authorität ist, wenn sie ihre
Vollmachten so auf Diskretion ertheilt, so genügt anderen Theils in diesem
Kreise von Fragen und Interessen die blos berathende Stellung für die
Betheiligten nicht. Es sind nicht meine Worte, sondern die eines sehr erfahrenen
und besonnenen Mannes, die ich hier anführe: „Man hüte sich wohl ähnliche
Körperschaften rein berathend zu machen. Sie können dies nicht bleiben, müssen
dann entweder zur leeren Form, zur Spielerey herabsinken, die das Geld und die
Zeit nicht werth sind, welche sie kosten und gerade dadurch wieder das Begehren
nach Besserem hervorrufen oder sie werden (was in unseren Tagen das
wahrscheinlichere ist), bald übergreifen und der Tummelplatz maßloser und
bedenklicher Schwätzerey werden auf welcher sich alles Gehetze, alle
Unzufriedenheit und alle Utopien ablagern. Darum hat der praktische Sinn unserer
Vorfahren den Ständen eine bestimmte Sphäre, aber in ihr auch möglichst volle
administrative Thätigkeit zugewiesen, damit sie in eigenem Hause, in der
eigenen, ihnen zunächst stehenden Sache sich selbst praktisch ausbilden, aber
auch auf das Maß des praktisch Möglichen beschränken können.“ In einer weisen,
den Zeitverhältnissen angemessenen Scheidung der Wirkungskreise liegt die
Lösung, aber nicht darin, daß man in einem und demselben Bereiche zwei Potenzen
aufstellt, die mit einander ganz incompatibel sind. Die Erlässe vom 31. Dezember
vorigen Jahres lassen es noch offen, ob man den Weg gehen wolle, dessen
Ausgangspunkte ich in den vorausgehenden Erörterungen besprochen habe. Sie
schließen es nicht aus, daß man den entgegengesetzten, nach meiner Ansicht den
rechten Weg gehe. Wir stehen am Scheidewege. Wenn die Konservativen von der
lebhaften Besorgnis ergriffen sind, man werde die falsche Richtung einschlagen,
so kann man dies nicht übel deuten. Sie folgen dem alten Erfahrungssatze: Fragt
die Parteien nicht, wohin sie wollen – sie werden Euch täuschen. Sehet zu, woher
sie kommen und Ihr wisst, wohin sie gehen. Wenn sie voraussehender als viele
ihrer Genossen, sich und ihre Familie, wenn sie die sittlichen und materiellen
Güter, die sie von ihren Vätern ererbten, nicht als unwürdige Nachkommen Preis
geben wollen, wenn sie dem Ruine wehren wollen, der letztlich auf den obersten
Träger ihres Prinzips, auf die Dynastie selbst zurück fallen wird, so thuen sie
nur ihre Pflicht. Worte werden jene Besorgnisse nicht beschwichtigen, nur
Thatsachen können es. Die erste dieser Thatsachen wäre die, daß man den Trägern
jener echt konservativen Prinzipien die Möglichkeit gewähre, ihre Grundsätze bei
der Durchführung der kaiserlichen Erlässe geltend zu machen. Wohin diese Erlässe
führen werden, wenn sie in die Hände der Bureaukratie gelegt werden, kann man
leicht voraus bestimmen. Wenn es mir gestattet ist, allgemeine unmaßgebliche
Andeutungen zu machen, so würde ich jene Scheidung der Wirkungskreise nach
Gegenständen zum Grunde legen, welche ich in dem vorhergehenden Absatz
besprochen habe. Die Regierung möge sich und ihren Organen die streitige
Justizpflege – die Ausübung des Strafrechtes bis inclusive der früheren
sogenannten schweren Polizeiübertretungen –, sie möge sich die höhere Polizei
(Polizeicommissariate), die leider in größerer Ausdehnung zur Nothwendigkeit
wurde, sie möge sich Rekrutirung und Steuern – letztere nöthigenfalls bis
inclusive der Grundsteuer –, sie möge sich in größeren Städten, wo das
revolutionäre Element sowie zahlreichere administrative Bedürfnisse vorwalten,
noch eingreifenderen Einfluß vorbehalten u. a. mehr. Auf dem flachen Lande aber
wurden die Akte der freiwilligen Gerichtsbarkeit – das Waisenwesen, das
Vermittleramt –, wie schon jetzt die Erfahrung lehrt, von den Patrimonialämtern
in weit fruchtbarerer und angemessenerer Weise verwaltet, als sie jemals durch
kaiserliche Beamte besorgt werden können. In dem Lande, in welchem die
Omnipotenz der Regierung bis zum Zerreißen angespannt ist – in Frankreich –,
kennt man z. B. Verlassenschaftsabhandlungen, öffentliche Waisenpflege etc. gar
nicht. Sollte die österreichische Regierung an Kraft verlieren, wenn sie selbe
anderen überträgt? Der administrativen Bedürfnisse auf dem flachen Lande gibt es
so wenige, sie sind für den bureaukratischen Mechanismus so fremdartig, die
Schreiberei ist da so steril, daß man vernünftigerweise nicht zu begreifen
vermag, wozu man Millionen verausgabt, Berge von Akten häuft, ohne daß die Dinge
darum besser gingen, als wenn man jene Millionen erspart hätte und Papiere
unbeschrieben geblieben wären. Aber jene administrativen Befugnisse sind so weit
und dehnbar, daß sie in den Händen einer bureaukratischen Kaste zu einer
Tiranney und einem Verderbnisse führen werden, an deren Vorzeichen es schon
jetzt nicht fehlt. Ob man nun diesen auszuscheidenden Wirkungskreis einzelnen
Patrimonialherren oder ob man ihn den Kreisständen und den von diesen bestellten
und abhängigen Organen zur selbstständigen Verwaltung und Verantwortung
übertragen solle, will ich hier nicht näher untersuchen. Es dürfte hier die
Andeutung genügen, daß ein und der andere Weg offen stehe.