19/1 Samstag Abd.―
Ich lese die Wasielewski’sche Schumannbiographie und spiele nun
fast ausschließlich ihn . Ich schwärme für ihn nun einmal ganz und
gar. Jetzt spiel ich, recht à propos den Faschingschwank aus Wien.
Dies bringt mich auf mein persönliches Leben und den ersten Ball in
diesem Jahre, den ich besuchte. Es war ein Kränzchen des Kaufm.
Gesangvereins im Sophiensaale und war unendlich heiter. Fännchen
war dort und erklärte mir, sie werde noch an mir zu Grunde gehen.
Es spann sich impertinent lebhaft weiter zwischen uns und schloss
oben auf der Galerie um drei Uhr Morgens unter süßen, heißen
Küssen ― „Wie ich mich gesehnt habe, dich wieder zu küssen“ sagte
sie.― Auch Gisela F. war dort … und auch mit ihr weilt, ich eine Zeit
lang auf der Galerie und auch ihre holden Lippen küsst ich mit
charakterloser Innigkeit: … Es war alles Leben und ich unterhielt
mich fürtrefflich ― und Ida K., die auch da war, versicherte mir, ich
sähe … sehr blasirt aus.―
Am Mittwoch hatt’ ich mit einer neu auftauchenden Schönen Rose [St.]
ein Rendezvous … es war der Abend vor dem Ball und ich träumte ein
paar Küsse voraus auf ihre wahrlich „vielholden“ Lippen ―
Ein charmanter Abend entwickelte sich neulich Sonntags. Mizi Louis ―
Bertha Richard T. ― ― ― in einsamem Gemach ― frivole Leute nennens
Cabinet particulier ― und ich war der Elephant; befand mich aber recht
wohl und weinselig dabei. Ich kriegte von allem was zu kosten, von der
Pastete, von der Liebfrauenmilch, von dem Kuchen ― und von der
Zärtlichkeit der jungen Damen ―
― Was meinen Verkehr mit Louis F. und Richard T. anbelangt, so ist er
wohl der sympathischeste, der sich wünschen läßt; bei aller
Intimität von allen Seiten der wohlthuendste Takt; dessen Mangel ja
so häufig gerade die dicken Freundschaften zeitweilig so
unausstehlich macht.―
― ― Ein wenig studir’ ich ab und zu doch; auch geh’ ich sehr häufig
auf die Klinik Nothnagel; sowie zu Stricker ― Im allgemeinen, wenn
überhaupt, so doch zumeist literarisch angeregt ― Rosenthal hat
letzthin wieder mit colossalem Erfolge Concert gegeben; man rühmt
seine riesige Virtuosität, ist hingegen nicht allgemein entzückt von
seiner Auffassung, seinem Ausdruck und seinem Geschmack.―
1884: II 3 - II 21
165
Februar